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Lourdeswallfahrt 2013

Die Wallfahrt vom 12. - 18. April 2013 wurde von Bischof Vitus Huonder begleitet. Es nahmen 1805 Pilger, davon 179 Kranke und 398 Helfer teil.

Auf zu den heiligen Quellen von Lourdes

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Bild von Silvan Meile

Für zahlreiche Pilger und Helfende startete gestern mittag das Ereignis des Jahres. Der Extrazug ins französische Lourdes. Nebst diversen Rollstühlen und Gehilfen wurden am Bahnhof Wil auch unzählige leere Wasserkanister in den speziell dafür vorgesehenen Gepächwagen verladen. In Kanistern finden in einer knappen Woche unzählige Liter Wasser aus den heiligen Quellen von Lourdes den Weg zurück in die Ostschweiz. Die Zugfahrt an den weltberühmten Wallfahrtsort am Fusse der Pyrenäen dauert rund 20 Stunden. Die Fahrt mit einem Extrazug an diesen Gnadenort hat eine über hundert Jahre alte Tradition, auch wenn sich heutzutage immer mehr Pilger für die Reise im Car oder Flugzeug entscheiden.

 

Kraft und Hoffnung schöpfen

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Ein Augenblick aus dem Nachzug der Pilger

Vor 50 Jahren wurde der Lourdespilgerverein Wil gegründet. Nicht primär die Hoffnung auf ein Wunder lässt Kranke jährlich nach Lourdes pilgern. Vielmehr schöpfen Sie an diesem Gnadenort neue Kraft, mit Ihrem Schicksal umzugehen. Dabei geben Sie sich in die Hände von Wohltätern

Bruder Leo Schwager werde den Sommer kaum noch erleben. Die Ärzte sprachen Klartext. Der in Bichelsee aufgewachsene Benediktinermönch war im Frühling 1952 dem Tode geweiht. Mediziner im Universitätsspital Zürichdiagnostizierten die gefürchtete Krankheit Multiple Sklerose (MS) im Endstadium - unheilbar. Bruder Leo war bereits einseitig gelähmt, konnte nicht mehr sprechen und wurde künstlich ernährt. Nur noch ein Wunder konnte ihm helfen. Ein solches sollte ihm am Fusse der Pyrenäen widerfahren.

Ende April 1952 schickte man Bruder Leo in der letzten Hoffnung im Krankenzug an den weltberühmten Wallfahrtsort ins französische Lourdes, wo 1858 der 14 jährigen Bernadette die Gottesmutter Maria erschienen ist. Zeugen sahen, wie Bruder Leo dort während der Krankengenesung wie durch einen Blitz von seiner Bahre auf den Boden geworfen wurde und vor dem Allerheiligsten kniete.  Er war geheilt. Später lief er zu Fuss ins Spital zurück - ein Wunder. Es folgen noch an Ort stundenlange Verhöre und ärztliche Untersuchungen über diese wundersame Heilung der schweren Krankheit. Nach fünf Jahren wurde Bruder Leos Fall offiziell als <<nicht natürlich erklärbar>> bezeichnet. An Weihnachten 1960 erhielt er den Bericht, dass seine Heilung von kirchlichen Instanzen als Wunder anerkannt worden sei. Es sollte das erste Lourdes-Wunder eines Schweizer Pilgers sein. Heute gibt es 68 kirchlich anerkannte Wunder vom südfranzösischen Wallfahrtsort. Nicht weiter untersuchte, plötzlich eingetretene Heilungen soll es an diesem Gnadenort schon Tausende gegeben haben. Davon zeugen beispielsweise unzählige zurückgelassene Gehhilfen oder Dankesbekundungen am Wallfahrtsort.

1200 Kilometer in 17 Stunden

Pilgerfahrten nach Lourdes haben hierzulande eine über hundert Jahre lange Tradition. In diesem Jahr organisieren die Bistümer der deutschen und rätoromanischen Schweiz die 117. Pilgerreise nach Lourdes. In einem Extrazug mit Krankenabteilung ab Rorschach gelangen die Pilger jeweils ohne Umsteigen für eine Woche an den Wallfahrtsort zwischen Mittelmeer und Atlantik. Auch in Wil kann zugestiegen werden. Rund 17 Stunden braucht heute der Nachtzug für die über 1200 Kilometer lange Strecke.

Bruder Leo an Vereinsgründung

Ab den 1920er-Jahren war die Wilerin Hedwig Schilling als Krankenpflegerin jedes Jahr mit dabei auf dem Zug nach Lourdes. So sollten es für sie bis im Jahr 1962 insgesamt 40 Pilgerreisen werden, bevor sie gegenüber August Stadler damals den Wunsch äusserte, er sollte versuchen, in Wil einen Lourdespilgerverein zu gründen. 30 Adressen von Pilgern und 150 Franken hatte sie dafür gesammelt. Weil bis im Januar 1963 noch immer kein Verein gegründet wurde, äusserte Hedwig Schilling ihre Enttäuschung darüber. Nochmals bat sie Stadler eindringlich, den Verein zu gründen, sie selber sei zu schwach. Es sollte ihr letzter Wille sein. Am nächsten Morgen verstarb sie. Ihr Wunsch wurde erfüllt. In diesem Jahr feiert der Lourdespilgerverein Wil und Umgebung das 50-Jahr-Jubiläum.

Im «Schwanen» fand 1963 die Gründungsversammlung statt. 74 Personen fanden sich dafür ein. Unter ihnen war auch Bruder Leo, der aus erster Hand von seiner wundersamen Heilung und vom Wallfahrtsort Lourdes berichtete. Hauptzweck des Vereins sind die Verehrung der Gottesmutter und die Förderung der Wallfahrten nach Lourdes. Ganz besonders für Kranke und Bedürftige soll die Pilgerreise finanziell ermöglicht werden. Ihre Dankbarkeit und ihr Gebet gilt deshalb speziell auch immer den helfenden Wohltätern.

Rollende Krankenzimmer

Heute ist Doris Hayoz Präsidentin des Vereins, der aktuell über 800 Mitglieder zählt. Sie blättern im Fotoalbum von Hedwig Schilling. Darin sind die Pilgerfahrten nach Lourdes zwischen 1924 und 1936 mit Bildern fein säuberlich dokumentiert und beschriftet. «Der Verein verfolgt einen sozialen Gedanken», sagt sie. Die Mitgliedschaft kostet mindestens fünf Franken. «Viele runden den Betrag grosszügig auf, sonst wäre es nicht möglich», sagt die Präsidentin. Die Vereinskasse dient unter anderem dazu, eine Reise nach Lourdes auch jenen Pilgern zu ermöglichen, denen das Geld dazu fehlt. «Für viele Leute ist die Pilgerreise nach Lourdes die schönste Woche im Jahr», sagt sie. Die Pilger seien wie eine Familie. Man freut sich auf das Wiedersehen. Meist wird die Pilgerreise zwei Wochen nach Ostern angesetzt. 1983 ging Doris Hayoz zum erstenmal mit. Bis zu hundert Teilnehmer ihres Vereins, gesunde und kranke, würden jährlich nach Lourdes pilgern. Die Anzahl Helfer sei meist doppelt so gross wie jene der Kranken. Diese werden rund um die Uhr betreut. Sie in den Zugbetten unterzubringen oder etwa die Rollstühle so zu verstauen, dass sie im richtigen Moment der richtigen Person zugeordnet werden kann, ist eine grosse logistische Herausforderung. «Manche sagen, nur schon, dass die Reise funktioniert, sei ein Wunder», sagt Josef Allenspach, Aktuar des Lourdespilgervereins Wil und Umgebung. Bereits 15 Pilgerreisen unternahm er als Helfer.

Im Vergleich zu früher seien die Pilger bequemer geworden. Immer beliebter ist die Reise mit dem Flugzeug oder dem Bus. Doch für die Kranken bleibt der Zug die einzige Option. Spezielle Wagen als rollende Krankenzimmer werden dabei jeweils von der Lokomotive ab Rorschach bis Lourdes gezogen. Darin wird gemeinsam der Rosenkranz gebetet, gesungen, und sogar eine Messe wird im Zug gefeiert.

Nicht primär die Hoffnung auf ein Wunder lässt die meisten Kranken jährlich nach Lourdes pilgern. Vielmehr schöpfen sie an diesem Gnadenort neue Kraft, mit ihrem Schicksal umzugehen. «Man muss es dem Herrgott überlassen, sein Wille geschehe», sagt Allenspach.